München. Englischer Garten. Unterhalb des Monopteros. Am Wegesrand. Spätsommer.
Vor dem gepanzerten Müllkübel setzt die ältere Dame zum Selbstgespräch an: „San uns die Floschn a scho nimmer vergönnt!“ Späht noch einmal hinein und schlurft dann kopfschüttelnd weiter. Langsam, schwerfällig und vom Kummer gekrümmt.
Fast möchte man leise und resignierend zustimmen. Ja sagen. Ja, sehr verehrte Dame, die Flaschen nicht, ja selbst das Wasser nicht, das müssen Sie sich mal vorstellen, halten manche doch tatsächlich selbst das Wasser für kein Menschenrecht mehr, die sorglose Freude am Leben und die Genügsamkeit nicht. Das alles ist uns nicht mehr vergönnt, wir können bloß alles kaufen, viel mehr als wir brauchen, kaufen kaufen kaufen. Wenn, ja wenn wir das nötige Kleingeld haben. Was bedeutet vergönnt denn überhaupt noch? Ist uns überhaupt noch etwas vergönnt? Muss denn heut nicht alles profitabel sein und der Gewinn stets wachsen?
Vergönnt bleibt Ihnen nur noch das tägliche Altern. Der stete Zuwachs an Einsamkeit, Langsamkeit und Selbstgesprächen. Die Verzweiflung angesichts der eigenen Ohnmacht, des Hungers und des Schwindens der goldenen Zeiten in der wankelmütigen Erinnerung. Vergönnt ist uns die totale Entfremdung von dieser Masse aus zugespitzten Ellebogen und zornverzerrten Mäulern auf rechthaberisch. Nein, sonst ist uns nichts mehr vergönnt.
Und doch steht uns alles offen. Hinter diesem Park weiten sich irgendwo die Wiesen in die Wälder und Berge und einen Horizont der sich da öffnet in die Möglichkeiten.
Daniel Graziadei 2016
[Die Bilder sind an anderen Orten und doch in ähnlichen Zeiten entstanden.]